Design von Hotels und Büros nach Covid-19

Nachdem wir uns auf ein Leben und Arbeiten mit einer immer noch andauernden Pandemie eingestellt haben, stellt sich die Frage nach dem Vermächtnis. Wird Covid-19 ein signifikantes, dauerhaftes Vermächtnis für die Gestaltung unserer Arbeitsumgebung hinterlassen oder wird es nur darum gehen, bei Bedarf erneut temporäre Maßnahmen zu ergreifen?

 

Heinrich Böhm, Partner von JOI-Design

Heinrich Böhm ist Senior Designer und Partner bei JOI-Design, einem der führenden Unternehmen für Innenausstattungen in der Hotellerie in Deutschland. In dieser Folge unserer Interviewserie „Internationale Stimme des Kunden“ (International Voice of the Customer) verrät Heinrich, dass die Pandemie große Auswirkungen auf das Geschäft hatte, aber dass sich die Dinge wieder normalisieren.

Unser Hauptgeschäft liegt in der Hotelbranche, und trotz der schwierigen Bedingungen haben wir in diesem Jahr fünf Hotels eingerichtet und eröffnet. Mit der Weltpremiere von Stay KooooK in Berlin sowie einem neuen Longstay-Konzept für Langzeitaufenthalte im Capri by Fraser in Leipzig sind einige richtungsweisende Destinationen im Mix enthalten. Derzeit arbeiten wir an der neuen Olympus-Zentrale in Hamburg, einem Bürokomplex in Düsseldorf, Hotelprojekten im Baltikum und in Indien und sogar an einigen Kreuzfahrtschiffen.

Welchen Einfluss hatte Covid-19 auf Ihr Geschäft?

Die Hotelbranche war mit am stärksten betroffen, aber in den letzten Jahren haben wir uns in verschiedene Sektoren diversifiziert, was uns eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegeben hat. Wie die meisten Unternehmen hatten wir mit Widrigkeiten zu kämpfen und Covid-19 hat zweifellos einen großen Einfluss gehabt.

Was uns aber wirklich gefreut hat, war die enge Kommunikation mit den Kunden. Wir waren alle nervös und niemand wusste genau, was als nächstes passieren würde. Umso beruhigender fanden wir die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, die in der Kommunikation zum Ausdruck kam, auch wenn es anfangs den Anschein hatte, als würden einige Kunden für eine Weile wegbleiben. Was die Projekte anbelangt, gab es verschiedene Modelle. Einerseits haben wir einige einfach weitergeführt wie bisher, andere wurden auf Eis gelegt oder in einem langsameren Tempo fortgesetzt, während einige gestoppt oder ganz abgesagt wurden.

Wir haben es aber auch geschafft, neue Projekte in den Bereichen Büros, Hotels, Longstay- und Serviced Apartments an Land zu ziehen. Wir haben auch neue Möglichkeiten in der Altenpflege und in Seniorenheimen entdeckt und sehen dies als einen wichtigen Wachstumsbereich in der Zukunft.

Aus interner Sicht ist es erstaunlich, wie schnell wir uns an die Arbeit von zu Hause aus angepasst haben, aber wir haben auch schnell ein internes Schicht- und Rotationssystem eingerichtet, damit die Kollegen an den Arbeitsplatz zurückkehren konnten. Wir leben vom Erfahrungsaustausch, vom Teamgeist, von den Materialien in unserem Archiv und von Brainstorming-Sitzungen im kleinen Rahmen, deshalb war es wichtig, dass wir alles tun, um diese Kultur zu erhalten. Wir beabsichtigen, dieses System beizubehalten und unseren Mitarbeitern in Zukunft einen ähnlichen Ausgleich zu bieten.

Natürlich ist keiner von uns mehr so viel unterwegs, denn Meetings, Veranstaltungen und Konferenzen finden alle online statt. Das ist nicht nur gut für die Natur und das Klima, sondern auch für das Unternehmen, und wir haben festgestellt, dass es bei einigen Projekten zu einer echten Zeitersparnis geführt hat. Dennoch glauben wir nicht, dass es jemals etwas geben wird, das den Wert des persönlichen Austauschs ersetzen kann.

Treten Kunden an Sie heran, die sich wegen der Pandemie Sorgen machen, dass ihre Räumlichkeiten den Anforderungen langfristig nicht mehr genügen?

Um ehrlich zu sein, nein. Natürlich sprechen wir mit Kunden darüber, wie sich Raumteiler ansprechend in den Raum integrieren lassen, wobei das Thema im Gastgewerbe häufiger auftaucht als in Büros. Aber auch schon vor der Pandemie mussten wir bei unseren Projekten oft große Flächen in einzelne Funktionsräume aufteilen. Es ist also keine grundlegend neue Aufgabe für Hoteldesigner und die entsprechenden räumlichen Lösungen sind bereits vorhanden.

Beschäftigen sich die Kunden über Folienaufkleber und Plexiglaswände hinaus mit der Anpassung ihrer Räume, oder hinterfragen sie das grundlegende Layout ihrer Flächen?

Wir kümmern uns bei einem Projekt immer um die grundsätzliche Gestaltung des gesamten Raumes, aber natürlich können aufgrund spezifischer Anforderungen auch kurzfristige Lösungen erforderlich sein. Das Wichtigste ist, eine einladende Atmosphäre zu schaffen, auch wenn Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen sind. Langfristig wird es darauf ankommen, die Anforderungen zu evaluieren, auszuloten und behutsam anzugehen, um das richtige Gleichgewicht zu finden. Da sich diese Anforderungen im Laufe der Zeit sicherlich ändern werden, ist es wirklich schwer vorherzusagen, wie die langfristigen Änderungen aussehen werden.

Wie wichtig wird die Materialauswahl sein? Erwarten Sie eine neue Welle von antibakteriellen Ausrüstungen oder muss man einfach nur sicherstellen, dass Desinfektionsmittel leicht zugänglich ist?

Pflegeleichtigkeit ist ebenso wichtig wie Langlebigkeit und natürlich der so wichtige Wohlfühlfaktor. Die Pandemie hat jedoch sicherlich die Gelegenheit eröffnet, die Funktionalität von Materialien zu überdenken und anzupassen. Wir sagen nicht, dass plötzlich alles abwaschbar hergestellt wird, aber es wird einen verstärkten Fokus auf Materialien geben, die sich natürlich und authentisch anfühlen, vielleicht aus lokaler Produktion und mit einer nachhaltigen Bilanz.

Wir bevorzugen Oberflächen mit natürlichen Effekten, da sie leicht zu reinigen sind, aber dennoch einen äußerst organischen Look bieten. Stark beanspruchte Oberflächen können immer mit Glasscheiben abgedeckt werden, damit sie sauber bleiben und leicht zu reinigen sind. Sind viele glatte und kalte Flächen vorhanden, ist es wichtig, ein Gegengewicht durch unterschiedliche Bodenbeläge, Pflanzen, Bücherregale oder Trennwandsysteme zu schaffen.

In puncto Hygiene ist es wichtig, sich für kreative, designorientierte Lösungen zu entscheiden, die ein Gefühl von Sicherheit ausstrahlen und gleichzeitig stilvoll aussehen. Auch berührungslose Sensorsteuerungen werden zunehmend zum Einsatz kommen.

Hat sich unsere Einstellung zu Arbeitsräumen grundlegend geändert? Wird auf Kundenseite beim Raum eher der Mensch im Vordergrund stehen, oder wird es darum gehen, dass eine maximale Anzahl an Mitarbeitern zurückkommt?

Der Fokus beim Bürodesign hat sich grundlegend geändert. Es geht nicht mehr nur um Zusammenarbeit und Austausch: Das Abstandhalten, mit dem wir zu leben gelernt haben, wird sich auf unser Leben in den Büros ausweiten und sich in der Art und Weise widerspiegeln, wie sie eingerichtet sind.

Das Arbeiten von zu Hause aus hat sich mittlerweile in vielen Branchen etabliert und bewährt. Es ist eine willkommene Option und in vielen Fällen ist der Platzbedarf nicht mehr so groß wie früher. Die Möglichkeit privater Rückzugsorte - Think Tanks, Telefonkabinen - ist in neu gestalteten Arbeitskonzepten bereits vorhanden. In Zukunft werden solche Orte viel mehr genutzt, um Abstandhalten physisch spürbar zu machen - mein eigener privater Raum!

Diese Räume sollten jedoch nicht als Orte gestaltet werden, die sich in der Mitte eines Gebäudes drängen. Vielmehr sollten sie sich entlang der Fassade befinden, so dass eine gute Belichtung und Belüftung gegeben ist.

Was ist das Wichtigste, das Sie im Hinblick auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen durch die Pandemie gelernt haben?

Es ist nicht nur eine Sache, sondern vieles.

Wir müssen in der Lage sein, Mehrzweckbereiche schnell und einfach in ausgedehnte Abstandsflächen umzugestalten. Wir müssen auch klare Wege durch das Gebäude festlegen. Diese lassen sich durch visuelle Elemente wie verschiedenfarbige Teppiche, andere Bodenbeläge und Wandgestaltungen äußerst wirkungsvoll gestalten. Es ist klar, dass Treppen eine Renaissance erleben werden: Beim Warten auf Aufzüge müssen die Menschen zusammenstehen, und das sollte vermieden werden. Leitsysteme unterstützen diesen Ansatz. Die Infrastruktur neu zu denken, ist eine spannende Herausforderung, der wir uns in Zukunft verstärkt widmen werden.

Der Einsatz von multifunktionalen Möbeln und technischen Systemen, die eine Vergrößerung der Sitzabstände in Arbeitsräumen ermöglichen, wird selbstverständlich werden. Dies hat den Vorteil, dass das Büro flexibel wird und sich ständig an die Anforderungen oder Umstände anpassen kann.

Die starke Nachfrage nach Besprechungs- und Konferenzräumen wird auch bei zukünftigen Konzepten ein wachsender Faktor sein. Diese Räume sind wichtig, um die persönlichen Beziehungen und das Vertrauen unter den Kollegen zu stärken und gleichzeitig ein gewisses Maß an Intimität bei vertraulichen Kundengesprächen zu ermöglichen. Der Besprechungsraum wird zur Plattform für den menschlichen Austausch und schafft ein Gegengewicht zur virtuellen Besprechung und Zusammenarbeit. 

Wir bezweifeln, dass diese Räume künftig noch sichtbarer hochtechnologisch sein werden. Stattdessen müssen sie komfortabler und behaglicher angelegt werden, um die menschliche, vertraute Komponente bei ihrer Gestaltung zu vermitteln. Im besten Fall kann Sprachsteuerung intelligent und unsichtbar integriert werden, ohne dass ein Einfluss der Technik erkennbar ist.

Clevere Entwürfe für sicherheits- und gesundheitsrelevante Maßnahmen werden ebenfalls zum Tragen kommen. Diese Absicherung hat sich im Einzelhandel schnell und vollständig durchgesetzt - warum sollte also nicht auch das Empfangspersonal im Büro den gleichen Schutz genießen? Co-Working wird von immer mehr Unternehmen als flexibler, alternativer Raum genutzt. Die Nachfrage von Unternehmen jeglicher Größe nach Co-Working-Flächen nimmt zu, doch auch hier gelten die gleichen Herausforderungen und Einschränkungen. Ein dreimaliger Arbeitsplatzwechsel pro Tag ist aus hygienischen Gründen nicht mehr machbar. Eine Lösung könnten hier Papier-Schreibtischdecken sein, die aus einem Spender entnommen werden können.

Schließlich ist nicht nur der Arbeitsbereich des Bürolebens von Covid-19 betroffen. Wir müssen die Strategie für die Gestaltung der Pausen- und Bewirtungsbereiche neu denken, um den Fokus auf sicherheitsrelevante und gesundheitsfördernde Maßnahmen zu legen.

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Fotoquellen: Christian Kretschmar & Jenner Egberts